BUTZBACH/DENVER (br) - Die Finalwettbewerbe bei einer Weltmeisterschaft im Sport Stacking sind eine Sache für sich: in umgekehrter Reihenfolge der Vorrundenqualifikation nehmen acht Finalteilnehmer auf Stühlen im Finalsektor Platz, die zwei langsamsten dürfen sich an Aufwärmtischen für ihren großen Moment vorbereiten. Wenn dann die „Stunde der Wahrheit“ schlägt, ist mancher so nervös, dass ihm kaum etwas gelingt. Exemplarisch konnte das Publikum dieses Phänomen am WM-Sonntag in Denver/USA in der superstarken Altersklasse 14 Jahre beobachten. Die US-Asse Luke Myers und Alex Schumann, beide im Internet-Portal „YouTube“ mit Fabelzeiten in allen Einzeldisziplinen zu bewundern und als hohe Favoriten gehandelt, zeigten am Finaltisch Nerven.

Nachdem Stefan Bleischwitz vom deutschen Team in der ersten Disziplin 333 als dritter Starter eine Zeit von 2,09 Sek. vorgelegt hatte, mussten alle nachfolgenden Stacker volles Risiko gehen. Alex Schumann schaffte einen Versuch mit 2,13, bei allen anderen Versuchen flogen die Becher vom Tisch. Der Kanadier Cole Tyler, in der Vorrunde noch Zweiter mit 2,06, hatte keinen fehlerfreien Versuch und fiel mit 3,63 auf den letzten Platz zurück. Blieb noch Luke Myers, mit 1,90 Vorrundenschnellster. Erster Versuch: Fehler beim Aufbau, 3,02, Platz 9. Zweiter Versuch: 2,18 -  aber beim Stoppen fallen die Becher um, ungültig. Bleibt noch ein einziger Versuch, der Traum vom Weltmeistertitel, alles kommt jetzt auf diese elf schnellen Handbewegungen an. Bewegung Nr. 5 misslingt, die Becher fallen vom Tisch, aus der Traum! Stefan holt Gold für Deutschland, Timo Reuhl freut sich über Platz 4 mit 2,18 Sekunden: er hat immerhin seinen „Sicherheitsversuch“ für eine gute Platzierung nutzen können.

 

Zweifache Weltmeisterin wurde Ilona Reuhl bei den Masters 3. 

Jüngster Einzel-Weltmeister des SST Butzbach wurde Jonas Rödl (10 Jahre)


   
Annette Rödl gewann die 333-Konkurrenz der Masters 2

Timo Reuhl und David Wolf verteidigten ihren Titel im Doppel.

Nach der Siegerehrung geht es gleich weiter mit 363. Diesmal ist Timo Vorrundenschnellster und muss bis zum Schluss warten. Vor ihm steht Luke Myers am Tisch, diesmal „stehen“ 2,47 Sek. – und diesmal hat der Amerikaner Glück: Er schafft einen superschnellen, gültigen Versuch und geht mit 2,31 Sek. in Führung. Timo weiß, dass dies nicht zu schaffen ist, seine Bestzeit liegt bei 2,46 Sekunden. Aber Silber scheint möglich. Sicherheitsversuch: 2,53 Sek., das wäre wieder Platz 4. Dann volle Konzentration für eine schnellstmögliche Stapelfolge. Aufbau, Abbau, Stoppen, ein Blick auf die Uhr – neue Bestzeit: 2,44 Sekunden! Die Schiedsrichter zeigen die grüne Karte, Silber ist sicher! Geht es noch schneller? Nein, schon beim Aufbau des ersten Dreiers ein Fehler im letzten Versuch, damit ist eine Spitzenzeit nicht mehr zu schaffen. Doch mit der Silbermedaille in einem solch erlesenen Feld, noch dazu mit neuem deutschen Rekord, ist Timo sichtlich zufrieden. Stefan als Sechster (2,66) und Lisa Fuhr (Hungen, 3,27) runden das gute Abschneiden der deutschen Teilnehmer ab.

Und auch im Cycle wiederholen sich die Ereignisse: mit fabelhaften 6,38 Sek. (Luke Myers) und 6,50 Sek. (Alex Schumann) führten Luke Myers und Alex Schumann die Rangliste nach der Vorrunde an. Im Finale brachte nur ein US-Boy einen einzigen fehlerfreien Versuch zu Stande: Joel Brown stoppte die Uhr nach 6,83 Sekunden und gewann damit Gold. Timo startete mit 7,27 Sek. wieder gut in die Konkurrenz, danach gelang aber auch ihm kein fehlerfreier Versuch mehr, immerhin Bronze. Danach ging er noch einmal an den Aufwärmtisch und stapelte dieselbe Folge – in 6,56 Sek. Und Alex und Luke, die diese Zeit am Samstag noch klar unterboten hatten? Luke vergriff sich auch bei seinem besten Versuch und landete mit 7,28 Sek. hinter Timo auf Platz vier, Alex wurde mit 7,90 Sek. Siebenter hinter Stefan (7,78 Sek.). Sport Stacking 2009 hat sich mehr denn je zu einem spannenden, rasanten Sport entwickelt, in dem mittlerweile viele junge Leute auf höchstem Niveau dafür sorgen, dass eine Vorrundenplatzierung im Finale Schnee von gestern ist.

Wie erging es den anderen Deutschen? Marie Henrich (9 Jahre) war mit ihrer Cyclezeit von 8,78 Sek. ganz zufrieden und platzierte sich als Sechste, denn auch hier wurden an der Spitze Superzeiten gestackt (Gold: Kenneth Liao, USA, 7,03 Sek.!). Bei den 10jährigen sah es nicht anders aus. Jonas Rödl und Ryan Powell waren in allen Finals vertreten, doch die waren absolut hochkarätig. Ryan legte in 333 2,08 Sek. vor (eine Zeit, die bei den 14jährigen zum Sieg gereicht hätte!) – und fand sich damit auf Platz 4 wieder. Jonas gelangen 2,05 Sek. –Silber, zwei Hundertstel fehlten zum Weltmeistertitel. Auch in 363 lief es bei Ryan gut, mit 2,69 Sek. gelang ihm eine Klassezeit, wieder reichte das nur zu Rang 4. An der Spitze war es erneut hauchdünn: Jonas Rödl und Connor Miller waren mit 2,55 Sek. zeitgleich, der zweitschnellste Versuch musste über den Weltmeistertitel entscheiden. Und hier hatte Jonas mit 2,68 gegenüber 2,72 Sek. die Nase knapp vorne und wurde Weltmeister! Mit 7,97 Sek. im Cycle gelang Ryan wiederum eine Zeit im Bereich seines deutschen Rekordes, aber drei Stacker bleiben unter 7,60 Sek., wieder Platz 4.

Bei den 13jährigen trafen schnelle Stacker aus den USA, Kanada, England und Deutschland aufeinander. In 333 war Mark Dennis (Kanada) der Schnellste mit 2,02 Sek., David Wolf wurde mit 2,21 Vierter. Silber gewann David in 363 mit 2,61 Sek., hier siegte Chris Dular (USA) mit 2,44 Sek. Im Cycle  schaffte Ann-Christin Schäfers gute 8,69 Sek. (Platz 6), Leon Reuhl steigerte sich auf persönliche Bestzeit von 7,56 Sek. und gewann Bronze. David sicherte sich mit 7,33 Sek. seine zweite Silbermedaille, war aber nicht ganz zufrieden, denn die Siegerzeit von 7,28 Sek. von Mark Dennis lag durchaus im Rahmen seiner Möglichkeiten.

Weltmeister in der Disziplin 333 15 Jahre wurde Florian Friedrich (SST Butzbach) mit tollen 2,08 Sek.. Trotz persönlicher Bestzeit von 2,18 Sek. verpasste Tanja Buchholz (SST) Bronze knapp und wurde Vierte vor Laura Baumann (2,27). In 363 holte Laura mit 2,77 Sek. Bronze vor Marcus Reitz (SST, 2,93), Tanja wurde hier Sechste. Auch im Cycle war das Glück nicht auf Tanjas Seite, ihr gelang kein fehlerfreier Versuch (Platz 5), Laura konnte immerhin noch eine Zeit von 9,18 über die Runden bringen (Platz 4), Florian gewann mit 7,90 Sek. Silber. Die Bilanz von Carina Hieronymi (16 Jahre) war einmal Platz 5 (333) und zweimal Platz 6, bei den 17jährigen gewann Mohammed Sahraoui (SST) Bronze in 333 in 2,33 Sek., Ruben Kehl holte Bronze im Cycle mit 8,09 Sek.

Gleich im ersten Wettbewerb der Collegiates (19-24 Jahre) konnte Boris Konrad seiner Sammlung einen weiteren Weltmeistertitel hinzufügen. Mit 2,44 Sek. im ersten Versuch zeigte er sich voll konzentriert und zog am ganzen Feld vorbei. Wenig später gewann er Bronze in 363 in 3,71, einer Zeit, die belegt, dass ihm kein fehlerfreier Versuch gelungen war. Sabrina Obenlüneschloss siegte souverän in 333 und 363 bei den Masters 1 (25-34 Jahre) und komplettierte ihre glänzende Vorstellung mit Silber im Cycle. Timo Böhm führte sich mit zwei fünften und einem sechsten Platz bei seiner WM-Premiere gut ein. Großen Jubel gab es im Sektor der Masters 2 (35-44 Jahre), nachdem Annette Rödl (SST) mit 2,94 Sek. ihre Vorrundenzeit exakt bestätigt hatte und der führende Shinshendo Weber (Schweiz) drei ungültige Versuche hatte, so dass Annette als Weltmeisterin feststand! Fest in deutscher Hand waren erneut alle Medaillen bei den Masters 3 (45-59 Jahre): Das erste Gold gewann Wolfgang Bleischwitz in der Disziplin 333 vor Ilona Reuhl und Heidi Braunewell. In 363 wurde Ilona Weltmeisterin mit 3,78 Sek. vor Heidi und Wolfgang. Aufregung gab es im Cycle. Hier war Ilona schon als Weltmeisterin mit neuer Weltrekordzeit von 10,17 Sek. geehrt worden, als der Oberschiedsrichter die Wertung annullierte, da es sich um einen Probeversuch gehandelt habe. Da ein Fehler der Schiedsrichter vorlag, durfte Ilona ihr Finale komplett noch einmal wiederholen, zeigte sich zum Glück nervenstark und schaffte 10,28 Sek., ebenfalls Weltrekord. Heidi (10,67 Sek.) gewann Silber, Heike Böhm Bronze in 13,23 Sek. Über Bronze in 363 freute sich auch die älteste deutsche Teilnehmerin Beate Tietjen (69 Jahre) bei den Senioren.

Die Serie guter Vorstellungen, die deutsche Doppel in den vergangenen Jahren ablieferten, wurde auch 2009 fortgesetzt. Bei den 10jährigen machten die deutschen Doppel Gold und Silber unter sich aus. Marie Henrich und Jonas Rödl waren glänzend aufgelegt und stoppten die Zeit nach nie zuvor erreichten 8,97 Sek. Damit setzen sie die Weltrekordhalter Hannah Müller und Ryan Powell stark unter Druck, den beiden gelang ein guter Versuch mit 9,46 Sek., der Silber sicherte, Gold aber ging an die überglücklichen Marie und Jonas. Mit 8,68 Sek. im zweiten Versuch sicherten sich David Wolf und Timo Reuhl Gold bei den 14jährigen, wo es sehr eng zuging (Silber 8,80, Bronze 9,11). Pech hatten Aylin und Lorena Braunewell, dass bei ihrem schnellsten Versuch der letzte Stapel einstürzte, so dass ihnen eine sichere Medaille entglitt. Mit 9,93 Sek. wurden sie Vierte vor Florian Friedrich und Mohammed Sahraoui (10,03).

Bei den Collegiates verteidigten Boris Konrad und sein japanischer Doppelpartner Tsuyoshi Seo (10,13) ihren Vorjahrestitel. Ins Finale der Masters 2 hatten es Annette Rödl und Holger Müller (Platz 4) sowie Elke Klingelhöfer und Rüdiger Wolf (Platz 5) geschafft. Gold bei den Masters 3 gewannen Heidi Braunewell und Heike Böhm ganz knapp vor Ilona Reuhl und Wolfgang Bleischwitz. Auch die Seniorin Beate Tietjen durfte sich ihre erst Goldmedaille um den Hals hängen lassen, nachdem sie mit Waltraud Deutschmann in 19,96 Sek. das Doppel der Seniorenklasse gewonnen hatte. Die zweite Doppel-Goldmedaille gewann Heidi Braunewell zusammen mit Tochter Aylin im Eltern/Kind-Doppel in sehr guten 10,40 Sek., Bronze ging hier an die Titelverteidiger Stefan und Wolfgang Bleischwitz, Timo und Ilona Reuhl wurden Fünfte.

Zum Abschluss der Finalwettbewerbe standen die Entscheidungen in den 363-Zeitstaffeln an. Bei den 10jährigen stackte „Rapid Fire“ mit 14,55 Sek. eine tolle neue Weltrekordzeit, Silber gewann das deutsche Team mit Marie, Hannah, Shanice, Jonas und Ryan in 15,97 Sek. Neue Weltrekordzeit auch für das deutsche Team in der Altersklasse 14 und jünger. Nach 13,08 Sek. hatte Leon Reuhl die Zeit gestoppt. Damit konnten die Deutschen erstmals das US-Super-Quartett in Bedrängnis bringen, sie waren bei allen Versuchen nervös und das Team von Trainer Burkhard Reuhl freute sich schon riesig, als „4 it ALL“ 13,13 Sek. als schnellste Zeit verbuchen konnte. Gold für Deutschland!? Die Ernüchterung kam 15 Minuten später, als nach mehrfacher Videoanalyse die Zeit der Deutschen annulliert wurde, da ein mit bloßem Auge nicht sichtbarer Wechselfehler gefunden wurde. Mit der zweitbesten Zeit von 13,56 Sek. fiel das Team mit Timo, David, Stefan und Leon damit auf Platz 2 zurück. Bronze (18 und jünger) gewannen Florian, Tanja, Laura und Mohammed mit 13,81 Sek, Silber gab es in der Open-Klasse der Erwachsenen für Sabrina Obenlüneschloss, Ilona Reuhl, Rebecca Ernst, Sabrina Haase und Boris Konrad (17,75 Sek.).

Im abschließenden Nationenwettbewerb qualifizierten sich USA (blue) – identisch mit der Staffel „4 it All“ bei 14 und jünger -  und Team Germany (blue) mit Florian Friedrich, Tanja Buchholz, Mohammed Sahraoui, Leon Reuhl und Ryan Powell für das Cycle-Finale. Nach einer 1:0 –Führung musste das deutsche Team die Überlegenheit der Amerikaner anerkennen und gewann eine weitere Silbermedaille.

Text + Fotos: br

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